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Ein lauter Ruf, Unruhe verbreitet sich wie eine Welle über die wartende Menge. Ich habe in meiner Eigenschaft als Bahnhofsmissionsmitarbeiter gerade einen Blinden zu der U-Bahn-Station am Hamburger Hauptbahnhof gebracht. Nun schaue ich zur Rolltreppe, woher die Rufe ertönen.
Eine ältere Frau ist gestürzt, auf der Rolltreppe. Ein Alptraum! Die Rolltreppe fährt unerschütterlich weiter nach oben. Die Frau rutscht immer wieder nach unten, kommt nicht auf die Beine. Zwei junge Männer eilen ihr zur Hilfe. Doch auch ihnen entgleitet sie. Die Rolltreppe fährt stur nach oben.
Ich bin ziemlich weit weg, viel zu weit, denke ich, als ich auch schon loslaufe. Denn die Menschen, die näher dran sind, stehen erschrocken da und rühren sich nicht. Manche schauen in eine andere Richtung. Warum zieht keiner die Notbremse?
Ich habe keine Zeit zum Nachdenken, laufe direkt zur Rolltreppe. Meine blaue Weste von der Bahnhofsmission verleiht mir eine gewisse Authorität. Die Menschen weichen mir reflexartig aus.
Dann habe ich die Rolltreppe erreicht! Ein Griff zur Notbremse, die Rolltreppe kommt zum Stillstand. Erleichtertes Seufzen in der Menge. Ich eile zu der Frau, die sich nun mit Hilfe der jungen Männer endlich aufrappeln kann.
Ich frage sie, ob sie sich verletzt habe. Nein, sie ist anscheinend ohne größere Blessuren davon gekommen. Doch sie steht sichtlich unter Schock und ist froh, als wir wieder auf festem Boden stehen.
„Wer hat die Notbremse gezogen?“ Zwei Uniformierte von der Hochbahnwache stehen plötzlich vor uns. Sie erfassen schnell den Ernst der Lage, bieten alle mögliche Hilfen für die Gestürzte. Wasser, Kaffee, ein Stuhl in der Wache. Auch ein Rettungswagen könne gerufen werden. Wasser und Stuhl werden gerne angenommen.
Ich bleibe bei ihr. Sie könnte sich auch in der Bahnhofsmission erholen. Doch sie hat sich schnell wieder beruhigt. Sie möchte jetzt nur noch zu ihrem Zug. Natürlich begleite ich sie dahin. Die Wachleute sind auch erleichtert und lassen uns ziehen.
Wie? Du hast die Notbremse gezogen?
Abends telefoniere ich mit einer Freundin und erzähle von dem aufregenden Erlebnis. „Was? Du hast die Notbremse gezogen?!“, ruft sie ins Telefon. Entsetzen und ein leichter Vorwurf schwingen in dem Satz mit. Sowas macht man – nicht.
Ich antworte konsterniert, dass die Notbremse genau für solche Fälle da sei. Wenn nicht da, wann dann?
Die Notbremse in öffentlichen Verkehrsmitteln
Der HVV schreibt zu seinen Notbremsen:
Die Notbremse ist ebenso wie der Notrufknopf im Türbereich angebracht. Wird die Notbremse betätigt, fährt die U-Bahn noch weiter bis zur nächsten Haltestelle. Aus gutem Grund, denn an der Haltestelle kann Hilfe viel schneller erfolgen als direkt auf der Strecke. Unser Fahrpersonal meldet sich und wird nach dem Halten sofort zu Ihnen kommen. Gut…